Goldener Käfig oder Wohnungs Mafia
Goldener Käfig oder Wohnungs Mafia
Meine Freundinnen haben manchmal behauptet, dass ich in einem goldenen Käfig lebe und von der realen und harten Welt nicht viel mitbekomme. Was sollte ich sagen – ein Teil von dem, was sie sagten, hatte vielleicht doch einen Kern von Wahrheit. Nach dem abgebrochenen Physikstudium habe ich in einer Dönerbude als Köchin angefangen zu arbeiten. Das einzige Glück, das ich hatte, war, dass diese Dönerbude in einem der schönsten Teile im Norden Berlins lag. Irgendwann fanden wir auch eine schöne Bleibe im selben Stadtteil, in der Nähe eines Sees und Waldes. Ich stand immer früh auf, öffnete unseren Laden, füllte in drei bis vier Stunden die prächtige Vitrine mit frischen Salaten, Vorspeisen und warmen Gerichten und ging dann nach Hause.
Neben dieser Teilzeitbeschäftigung hatte ich immer Zeit für meine Familie, Freunde und Hobbys. Irgendwann begann ich sogar zu schreiben. Den kurzen Arbeitsweg habe ich genutzt, um Bücher zu lesen. Gott weiß, wie oft ich die Bushaltestelle verpasst habe, weil ich tief in einem Buch versunken war oder einfach träumen.
Ein eigenes Café zu besitzen war ja auch mein Traum, das ich irgendwann verwicklichen könnte. Jeden Tag öffnete ich den Laden, buk als erstes frische Croissants und wartete auf die ersten Kunden. Doch dann gab es etwas Unerwartetes. In meinem goldenen Käfig hatte ich nicht bedacht, wie der Arbeitsweg mein Leben auseinanderzog. Mit den U-Bahn-Bauarbeiten, dem Ersatzverkehr, den vielen Menschen, die gleichzeitig wie ich unterwegs sind – der Weg wurde immer länger, man wurde immer müder und frustrierter.
Anfangs versuchte ich, die Zeit im öffentlichen Verkehr zu nutzen. Ich las viele Bücher, erledigte meine Einkäufe online, plante die Menüs für den nächsten Tag, suchte nach Rezepten, checkte meine E-Mails und bezahlte Rechnungen online. Was die digitale Welt uns alles ermöglicht! Doch es gab immer wieder unerwartete Bus- und Bahn-Ausfälle. Sogar mehrere Tage Streik im öffentlichen Verkehr haben wir erlebt.
Oft dachten wir an einen Umzug, doch wir schüttelten nur den Kopf. Die Mietpreise waren unglaublich hoch – für normal verdienende Menschen völlig unerschwinglich. Die wenigen verfügbaren Wohnungen waren entweder weit außerhalb von Berlin oder lagen in Kreuzberg, was sich für uns als Arbeitsort als unpraktisch erwies. Da wir eine große Familie mit Kindern sind, waren die Auswahlkriterien noch enger, und eine Vierzimmerwohnung zu einem angemessenen Preis zu finden, schien ein unerreichbarer Traum.
Ich versuchte täglich, Seiten wie Immoscout und andere durchzusehen, um zu schauen, ob es eine passende Wohnung für uns gab. Dabei musste ich feststellen, dass ich als Reinickendorferin tatsächlich in einem goldenen Käfig lebte und von der realen Welt wenig wusste. Viele günstigere Wohnungen waren nur im Tauschangebot verfügbar, und meine Bleibe im Norden der Stadt, trotz des schönen Sees und Waldes, weckte kein Interesse bei Stadtmenschen. Viele Bewerbungen, die ich geschickt hatte, waren erfolglos, und ich bekam nur automatische Rückmeldungen, die mir wenig Hoffnung machten.
Nur einmal dachte ich, es könnte klappen. Die Miete war zwar etwas höher, aber es war noch bezahlbar – vor allem, weil die Wohnung nicht an einer belebten Potsdamer Straße lag. Ihr wisst ja, wie die Straße aussieht, wenn es dunkel wird.
Eines Tages schickte mir meine Schwester eine Wohnungsanzeige. Ich schaute mir die Bilder an und die Reinickendorferin in mir schüttelte den Kopf: „So eine Straße? Auf keinen Fall!“ Doch dann kam ein Kunde in unser Café, der gerne seinen täglichen Espresso bei uns trank, bevor er sein afrikanisches Restaurant in der Nähe öffnete. Er war überglücklich, weil er endlich eine Wohnung mit Mietvertrag gefunden hatte. Sofort weckte diese Nachricht mein Interesse. Er erzählte mir von einem afrikanischen Makler, der gegen eine Gebühr (ca. 2000 Euro) einen Mietvertrag arrangierte. Der Kunde gab mir die Telefonnummer des Maklers und rief sogar neben mir an, um mir zu sagen, dass ich ihm einfach meine Wunschkriterien für die Traumwohnung schildern solle.
Es gab nichts Konkretes, aber mein Freund meinte, ich solle geduldig sein. Der Makler könne jemanden aus der Hausverwaltung kennen, und wenn es passt, würde er einen Mietvertrag arrangieren.
Mittlerweile wusste jeder, dass ich dringend eine Wohnung suchte. Eine Nachbarin sagte mir: „Ich helfe dir, ich kenne einen Makler.“ Ja, der Makler besuchte mich im Café. Ich war noch in der Küche und musste Frühstücksbestellungen vorbereiten, aber der Makler saß geduldig am Tisch und trank genüsslich seinen Kaffee. Ich freute mich, denn wir hatten vorher telefoniert, und er hatte tatsächlich eine Wohnung im Angebot, die meinen Kriterien entsprechen sollte.
Als ich meine Arbeit in der Küche beendet hatte, legte ich die Kochschürze ab und ging zu ihm. Der Mann war sehr überrascht, als er mich sah, und sagte: „Ich konnte dich nicht erkennen.“ Das war kein Wunder, da wir uns zum ersten Mal trafen. Es ging um eine Vierzimmerwohnung in der Nähe des Görlitzer Bahnhofs im dritten Stock. Die Küche musste noch renoviert werden, aber die Miete war in Ordnung, abgesehen von drei Monatsmieten als Kaution und weiteren 6000 bis 8000 Euro Abstandsgeld. Doch wir kamen nicht zu einer Einigung, denn der Vermieter hatte ein spektakuläres Kriterium, das ich nicht erfüllen konnte.
Der serbische Vermieter war ein „Muslimhasser“ – Entschuldigung, aber ich weiß keine andere Wortwahl. Der Vermieter soll seiner Maklerin gesagt haben, dass er keine Frauen mit Kopftuch haben möchte. Der Makler zeigte mir sogar SMS-Nachrichten mit dem Hinweis „Kein Kopftuch“. Ich lernte später, dass es mehrere Makler gab, die an dem Deal beteiligt waren. Jeder nahm einen Anteil von rund 2000 Euro, während der ursprüngliche Vermieter nichts davon erhielt.
Ich war tief traurig und am Boden zerstört. Das Thema Kopftuch war für mich schwierig. Obwohl ich eine moderne Frau bin – sowohl als Schriftstellerin als auch als Köchin – sah der Mann mich eindeutig als türkische Frau mit Kopftuch, was mich bei der Mieterauswahl ausschloss. Dabei trug ich keinen richtigen Kopftuch, sondern nur ein halbes Turban, das ich beim Kochen in der Küche trug und auch außerhalb der Arbeitszeit gerne anhatte.
Apropos Kopftuch…
In einigen Koranversen steht, dass Frauen ihren Schmuck nach eigenem Wunsch verbergen sollen, weil es zu ihrem Schutz dient. Wie naiv war ich gewesen! Komischerweise dachte ich immer, es ging um Schmuck als echtes Accessoire. Doch es ging um die Haare, die Brüste, Oberschenkel, Bauch, Arme, Rücken, Nacken und Ohren – fast alles an Frauen sollte verborgen werden. Wenn man nur eine Seite der Geschichte betrachtet, könnte man meinen, der Koran und sogar Allah seien gegen die Freiheit der Frauen. Aber wenn man es wirklich versteht und sich mit dem Thema auseinandersetzt, ist alles halb so schlimm. Eine moderne Frau kann auch mit Kopftuch ihre Intelligenz und Schönheit bewahren – nur fremde Männer dürfen das nicht sehen.
Zurück zu meiner Geschichte: Die Traumwohnung bekam ich nicht, aber der Makler hatte noch ein Angebot für mich. Er kam in kurzer Zeit wieder und fragte: „Brauchst du wirklich dringend eine Wohnung? Bist du bereit, Abstandsgeld und eine hohe Miete zu zahlen?“ „Ehm, ja…?“
„Ich habe hier etwas für dich: Du zahlst denselben Betrag für Abstandsgeld und Miete wie bei der zerplatzten Traumwohnung. In dieser Wohnung gibt es eine zwei Jahre alte Küche mit Elektrogeräten. Die Hälfte der Miete überweist du an die Hausverwaltung, die andere Hälfte gibst du mir persönlich in die Hand“, sagte er, während er mit Stirnrunzeln überlegte, wie er die regelmäßige Zahlung arrangieren könnte. „Du darfst die Wohnung nur zehn Jahre nutzen und kannst dich nicht beim Bürgeramt anmelden.“
Mit großen Augen hörte ich ihm zu, gespannt, was noch hinzukommen könnte.
„Hast du noch Fragen?“ fragte er.
„Ehm, ja. Ich habe einen kleinen Hund. Darf er auch mit?“
„Öhm, eigentlich nicht, aber okay. Bitte pass gut auf meine Wohnung auf.“
Das war unser letztes Treffen. Natürlich kam aus diesem Angebot nichts. Ich setzte meine Wohnungssuche fort.
Wie die Berliner Bevölkerung so vielfältig und multikulturell ist, gibt es auch für jede Sprachgruppe eigene Maklerkreise – darunter Englisch, Türkisch, Arabisch, Russisch usw. Diese Makler bedienen auch Telegram-Gruppen, in denen täglich neue Angebote erscheinen – alle mit Abstandsgeld.
Ein Makler war doch netter. Er empfahl mir, persönlich zu einer bestimmten Hausverwaltung zu gehen und zu sagen:
„Bitte, ich brauche dringend eine Wohnung. Mein Mann hat mich verlassen, ich bin mit den Kindern auf der Straße, wir haben nichts zu essen und keine Wohnung…“
„Glaubst du, das wird funktionieren?“ fragte ich.
„Ja, sicher! Wenn du als Frau dort hingehst, haben die mehr Verständnis. Glaub mir.“
Irgendwie traute ich mich nicht, dorthin zu gehen. Vielleicht hätte es funktioniert – wer weiß?
Es gingen die Tage, Monate, Jahreszeiten hintereinander. Wenn man Herbst und den langen Winter überwindet, kommt der Frühling wieder. Das Wetter wird milder, angenehmer, und wenn die Sonne scheint, wird alles ein bisschen erträglicher. Bei schönem Wetter war es auch nicht mehr so schlimm, täglich eine volle Stunde zur Arbeit zu pendeln. Manchmal hatte ich fast die Wohnungssuche aufgegeben, weil im Netz immer wieder die gleichen Inserate auftauchten. Besichtigungstermine bekam man sowieso kaum, und manchmal gab es nicht einmal eine Rückmeldung.
An einem Sommerabend erlebte ich einen Tiefpunkt. Es ging einfach nicht mehr. Bei der Arbeit hatte ich vollen Stress, und der Heimweg zog sich ewig. Mit der Wohnungssuche hatte ich auch längst meine Hobbys aufgegeben, und meine Freundinnen hatte ich seit Monaten nicht mehr gesehen. Ich konnte den Kindern schnell etwas kochen und ins Bett gehen. Oft fragte ich mich: Was für ein Leben ist das? Wofür arbeitet man so viel?
In unserem Bekanntenkreis gab es eine ältere Frau, Tante Ayshe, die in der Nähe unseres Cafés in einer großen Wohnung allein lebte. Ihre Tochter hatte ein schönes Haus am Rande der Stadt, und oft besuchte sie ihre Tochter und Enkelin, wenn sie nicht gerade auf Reisen waren. Auf Social Media prahlten sie oft miteinander. Nach langem Überlegen hatte ich den Mut, Tante Ayshe anzurufen und zu fragen, ob wir ihre Wohnung vielleicht während ihrer Abwesenheit nutzen dürften. Ich sagte, ein Zimmer würde für uns ausreichen, und ich wäre sogar bereit, Miete zu zahlen und versprach, die Wohnung sauber zu halten.
Tante Ayshe sagte: „Ach, Liebes, wie gern würde ich dir helfen, aber weißt du, ich kann meine Wohnung nicht einfach aufgeben. Ich kann nicht bei anderen wohnen, auch nicht bei meiner Tochter. Jeder braucht seinen eigenen privaten Raum.“
Sie hatte recht. Es war gemein von mir, mir so etwas vorzustellen.
Ich versuchte, mich wieder zu fangen. Mittlerweile war das einzige Thema, das ich mit den Leuten um mich herum besprach, die Wohnungssuche. Ich wusste, dass ich keine Ausnahme war, dass auch andere täglich stundenlang zur Arbeit pendeln mussten. Ich versuchte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, und schob den Rest einfach beiseite. Man weiß nicht, was die Zukunft bringt. Vielleicht sollte ich mir einen Job in der Nähe meiner Wohnung suchen.
An einem Wochenende war ich tief in der Arbeit. Der Laden war voll, und ich musste schnell die Frühstücksbestellungen vorbereiten. Mein Smartphone war während der Arbeit stumm, doch an diesem Tag blinkte es, weil ich einen Anruf verpasste. Normalerweise reagierte ich nicht, weil ich mich ganz auf die Arbeit konzentrierte. Trotzdem nahm ich den Anruf entgegen. Mein Sohn erzählte mir aufgeregt, dass er auf Kleinanzeigen eine Wohnung gefunden hatte. „Mama, du musst sofort schreiben, dass wir Interesse an der Wohnung haben!“
Ich hatte nicht mal die Bilder oder die Beschreibung richtig angeschaut, sondern einfach auf den Link geklickt, den er mir geschickt hatte, und geschrieben.
Seit Anfang November wohnen wir nun in unserem neuen „goldener Käfig“, groß genug für uns, mit einer angemessenen Miete, hell und im vierten Stock. Ich kann zu Fuß zur Arbeit gehen, brauche keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr. Ich habe jeden Tag zwei Stunden gewonnen, die ich wieder für meine Familie, Freunde und Hobbys nutzen kann – und sogar angefangen habe, wieder zu schreiben.
Und was ist mit der Tante Ayshe? Ich habe aus einer guten Quelle erfahren, dass sie mittlerweile ganz bei ihrer Tochter lebt. Sie hatte doch in den letzten Jahren die Wohnung heimlich an eine gewisse Person untervermietet. Diese Person soll die Wohnung zimmerweise an mehrere Unbekannte weitervermietet haben. Die Wohnung war inzwischen in so schlechtem Zustand, dass die Hausverwaltung schließlich von der ganzen Geschichte erfuhr und die Wohnung zurücknahm, um sie auf ihre Kosten zu renovieren.
Was man dazu sagen kann: Der Mensch plant – das Schicksal lacht.
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